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Das Lernen lernen, Teil 7
Lernen auf Befehl
Vorab ein paar Überlegungen - gerichtet an Erziehende.
Werdende Erziehende / Eltern wollten ihr Kind, und sie haben ihm mit seiner Geburt quasi das Versprechen gegeben, es bis zum Erwachsenen-Alter zu leiten, zu begleiten. Sie haben zu ihrer (noch weit voraus liegenden) Verantwortung 'ja' gesagt.
So lange das Kind klein ist, wird dieses Versprechen (mal voll, wal weniger gut) eingelöst. Im ersten Schuljahr herrscht meist ein gemeinsamer Lern-Eifer. Es ist ja schön zu beobachten, wie aus dem kleinen Analphabeten ein lese- und schreibkundiger Mitmensch wird. Die Schwierigkeiten zeigen sich aber, wenn sich Schule über Jahre und Jahre hinzieht. Nicht nur die Lerner werden mürbe und müde, auch die Erziehenden beginnen unter dem Stress 'Schule' zu leiden.
Soweit meine kurze Skizze über einen Tatbestand.
Da in dieser Gesellschaft die allgemeine Schulpflicht mit den in Deutschland eingeführten Schulsystemen besteht, müssen alle Beteiligten – die Lerner, die Lehrenden, die Erziehenden – gemeinsam versuchen, den Vollzug der allgemeinen Schulpflicht zu verbessern. Jeder sollte seinen Beitrag dazu leisten, das Lernen in Schulen erträglich und vor allem Erfolg-reich zu machen.
An dieser Stelle wende ich mich kurz an die Erziehenden, an die Eltern mit der Frage: Wie viele Minuten pro Tag sprechen Sie mit ihrem Kind, und zwar mit jedem persönlich über seine Erlebnisse in der Schule? Ich meine hier nicht, daß Sie ihr Kind über die erhaltenen Zensuren befragen. Ich meine auch nicht, ob und wie lange Sie Vokabeln abfragen. Nein, ich meine, ob Sie mit Ihrem Kind in einer für beide entspannten Situation sich über die erlebte Schule erzählen lassen, über die kleinen Ereignisse des Tages, über die Gefühle, Ängste, Freuden Ihres Kindes. Ich meine ein unbeschwertes Erzählen über den Schulalltag, die Freunde und die Gegner in der Klasse, die Lehrenden, die Mitarbeiter im Betrieb der Schule, über Begegnungen auf dem Schulweg. Ich meine ein Erzählen über Gespräche, über Gehörtes, über Gesehenes, über Erfahrenes, auch über Stimmungen.
Nicht selten höre ich den Einwand, dazu haben wir keine Zeit! Dann wäre allerdings zu überlegen, ob Sie sich diese Zeit nicht durch ein zeitweises Abschalten des Fernsehers hereinholen könnten. Mal alleine mit jedem Kind, mal mit den Kindern zusammen - so ein Palaver über Schule kann auch lustig sein; und Sie werden manches dabei erleben.
Das Reden über Schule könnte als Ritual vereinbart werden, ab einem neuen Schul-Jahr, nach den Ferien, ab dem Geburt-Tag oder einem markanten Termin. Vereinbarte Rituale sind anfangs eine Hilfe, später wird das Gespräch über die Schule zur unverzichtbaren Übung. Keinesfalls darf aber ein Straf-Ritual daraus werden.
Folgend bedenken wir das Lernen an Schulen; anders formuliert, ich problematisiere besonders das Lernen-Müssen. Aus dem Dreieck-Verhältnis Kind - Eltern - Schule wird bisweilen ein Spannung-reiches Beziehungen-Gefüge. Da ist es wichtig, daß auch die Erziehenden sich mit Kern-Fragen des Lernen-Müssens eingehender auseinander setzen.
1 Schule
Alle Arten von allgemein-bildenden Schulen (auch Fachschulen und berufliche Schulen) haben eines gemeinsam, daß die Bildung-Einrichtungen des Staates (oder von nicht-staatlichen Trägern) genau wissen, was ihre Schüler lernen sollen. Dazu erhielten sie (und erhalten sie fortlaufend neue) Vorgaben, in denen nach Schularten, nach Jahrgängen, ggf. nach Differenzierungen die Inhalte, Ziele, Verfahren aufgelistet sind. Diese Lehr- oder Bildung-Pläne bestimmen (mal mehr, mal weniger penibel) das, was Tag für Tag in den Schulen geschieht (oder geschehen sollte).
Schule versucht, den Lernern das Lernen leicht zu machen, indem sie dem einzelnen (und den Erziehenden/Eltern) Entscheidungen über Lern-Ziele, über Lern-Verfahren, über viele Lern-organisatorische Details abnimmt. Hingegen baut sie Druck auf mit dem Ziel, daß vom Lerner (und den Erziehenden) die von der Instanz Schule vorab getroffenen Entscheidungen auch eingehalten und umgesetzt werden.
Fertigkeiten zu erwerben, Kenntnisse (= Wissen) sich anzueignen, Zusammenhänge zu erkennen, Strukturen zu verstehen (= Erkenntnisse) und Einsichten zu gewinnen sind die Ziele, welche Schule (zum Wohle und Nutzen des Lerners) zu vermitteln hat. Schule ist eine Institution der Gesellschaft zur Aktivierung und Förderung der kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten des jungen und heranwachsenden Menschen.
In Schulen zu lernen bedeutet, mit Sachen, mit Thematiken befaßt werden, um (auf Vorhandenem aufbauend) neue oder erweiterte Erkenntnisse zu gewinnen.
Das Anwenden (etwas Gelerntes zum eigenen Nutzen einsetzen können) setzt (in aller Regel) ein kluges Üben voraus. Einer (grundsätzlich informierenden) Einführung folgt in vielen schulischen Prozeß-Verläufen ein anwenden-Lernen. Das jeweilige Üben ist öfter zu wiederholen. Eine Fertigkeit gilt dann als erworben, wenn Lerner den Erfolg-reichen Transfer auf ähnliche Sachverhalte gemeistert hat. Gute Anwendung ist dann allmählich zum Bestand seiner Lebens-Kompetenz geworden.
Weitere kognitive Kompetenzen-Bereiche werden (nach Bloom u.a.) unterschieden als das Analysieren, die Synthese und die Evaluation.
- Analyse wird verstanden als Zerlegen von Wissen in einzelne Elemente, das Herstellen von Beziehungen, das Ordnen und Konfigurieren der (Wissens-)Elemente.
- Synthese bedeutet, daß kognitive Elemente zu Gesamtheiten zusammen gefügt werden und daß so neue Einsichten erzeugt werden können.
- Mit Evaluation ist das Bewerten von Sachverhalten, Ereignissen, Haltungen gemeint. Das Urteilen über Erkanntes befähigt Lerner dazu, eigene Meinung und Haltung zu entwickeln.
Mittels solcher Taxonomien sind Struktur-Konzepte von Schulen wohl durchdacht und nachvollziehbar. Auf dieser abstrakten Ebene gibt es auch kaum Differenzen. Schwierig wird es in den ungezählten Details. Hoch umstritten ist etwa die Relevanz des zu Lernenden, des Gelernten :: Welches Wissen ist hinreichend gesichert? Welches ist gesellschaftlich umstritten? Welches ist deinem Leben dienlich? Welches ist ein Ballast für dich? Welches ist unstreitig wichtig?
Schulisches Lernen deckt nur einen geringen Teil aller denkbaren Lern-Inhalte ab. Warum wird schulisches Lernen dennoch so hoch bewertet?
- Die festgelegten Lern-Anforderungen sind an herrschenden staatlichen (gesellschaftlichen, ökonomischen, weltanschaulichen, ...) Erwartungen ausgerichtet.
- Die Lern-Inhalte werden durch gesellschaftliche Normen-Instanzen ausgewählt, gewichtet, konfiguriert, beschrieben. Sie werden in amtlichen Mitteilung-Organen veröffentlicht, sind somit von jedem einsehbar.
- Ein festgelegter Lern-Kanon ermöglicht es mittels Prüfung-Verfahren Ergebnisse-Rankings zu erstellen, und so die besten, die guten, die weniger guten Lerner zu ermitteln. (Denn diese Gesellschaft ist auch auf Leistung-Hierarchien gegründet.)
Wann bist du als nachfragender Lerner gefordert? Frage den Lehrenden, inwieweit das zu Lernende Leben-bedeutsam sein wird. Frage ihn :: Wozu ist es für mich gut, nützlich, notwendig, die gestellte Aufgabe zu bearbeiten, zu lösen?
Je präziser dir der Gefragte deine Fragen beantwortet, umso klarer hat er sein Lehr-Konzept durchdacht. Aber bisweilen wirst du auf die Fragen nur eine solche Antwort erhalten ::
Die Aufgabe bearbeiten, schult dein Denken, macht dein Gehirn fit, sie erweitert deine Kompetenz. Du wirst diese Kompetenz (in der Schule) mindestens drei mal in den nächsten fünf Jahren dringend brauchen. Und dann wirst du froh sein, daß du diese Fähigkeit erworben hast, welche du heute Nachmittag als Hausaufgabe einüben sollst.
Solch ein Hinweis ist gedacht, dir im Wettbewerb um gute Noten einen der vorderen Plätze zu sichern.
Aber gibt ein blanker Hinweis eines Lehrenden auf die demnächst anstehende Prüfung (Extemporale, Schulaufgabe, Klausur) ein hinreichendes Argument dafür, daß der Lerner daraufhin seine befohlene Lern-Aufgabe mit Interesse, mit Überzeugung angehen wird? Ich verneine die Frage.
Auf ein Zeugnis zu schielen, das ist zu wenig. Denn das zu Lernende solle über den Tag hinaus in dir, in deinem Denken haften bleiben, sollte an deiner Persönlichkeit Veränderungen bewirken. Dein Lernen solle dir zum (lange wirkenden) Gewinn werden.
Ich frage weiter: Gibt es ein Nutzen-loses Lernen?
- Schulischem lernen-Müssen wird des öfteren der Vorwurf gemacht, diese oder jene formale Übung sei für den Lerner nicht einsichtig. Deshalb gehe er mit Widerwillen und Unmut an die gestellte Aufgabe heran.
Dazu meine ich ::
- Kompetenzen, Fähigkeiten vorsorglich zu erwerben und einzuüben ist ein (durchaus sinnvoller) Vorgriff auf Herausforderungen, die dir in künftigen Situationen begegnen werden.
- Aber Wissen auf Vorrat anzusammeln? Dafür gilt das eben Gesagte nicht unbedingt. Wer kann zusichern, daß etwas, was heute als gebräuchliches Wissen angesehen wird, morgen noch einen Zeit-gemäßen Wert haben wird? Viel Anspruch-voller wäre es, wenn Schule die Lerner dazu befähigte sich aktuelles Wissen (hohen Niveaus) bei Bedarf selbst zu beschaffen.
An allgemein-bildenden Schulen besteht ein Lern-Zwang. Dein Lernen geschieht nach Anweisung. Gebräuchliche Sanktionen-Instrumente, um diesen Zwang durchzusetzen, sind Noten, Zensuren. Die werden durch Lern-Kontrollen, Proben, Prüfungen ermittelt. Es ist wohl nicht ganz falsch zu behaupten, schulisches Lernen geschehe 'auf Befehl' eines Lehrenden. Dieser wiederum handelt 'nach Dienst-Anweisung'.
- Lern-Erfolge der Lerner werden in Noten, Punkten, Prozent-Werten berechenbar gemacht. Zusammen-fassende (pauschalierende) Zeugnisse sind dann die schulischen Leistung-Ausweise. Sie werden in der Gesellschaft hoch bewertet, weil sie Vergleiche unter mehreren Lernern zulassen.
- Lern-Ergebnisse sind mittels systemischer Verfahren überprüfbar. Alle Lerner können so einem Ranking-Prozeß unterzogen werden; Lerner sind nach 'Qualität-Klassen' selektierbar.
- Zugänge zu höher-qualifizierenden Ausbildung-Systemen (Schularten, Hochschulen) werden (häufig) vom Erreichen einer definierten Qualität an 'Vorbildung' abhängig gemacht.
An Schulen wird auf Lern-Ökonomie geachtet (sollte zumindest geschehen).
* Es werden ökonomische Strategien für das Lernen entwickelt.
- Ziele sind dabei ein einsichtiges Lernen mit 'klugen Lern-Strategien' zu ermöglichen.
- Daneben solle das Lernen Zweck-dienlich sein. Der Zweck solle für den Lernenden erkennbar und einsehbar sein.
- Und es solle Zeit-sparendes wie auch (human-)Energie sparendes Lernen sein.
* Welche Reibungen entstehen beim schulischen Lernen (in Klassen-Gemeinschaften)? Welche Verluste (an Lern-Erfolgen, an Lern-Motivation, an Zeit etc.) entstehen bei sog. kollektivem Lernen?
- Lerner in ähnliche Leistung-Gruppen zusammen zu fassen, ist ebenso üblich wie umstritten. Homogene Lerner-Gruppen bieten vermeintliche Vorteile, allerdings ist die zu grunde liegende Philosophie einer tendenziell 'kollektivistischen' Pädagogik geschuldet.
- In nicht-homogenen Lerner-Gruppen bestehen wesentlich häufigere (und zumeist intensive) Anlässe zum Unterstützen und gegenseitigen Helfen in den diversen Lerner-Patenschaften innerhalb einer Schul-Klasse.
Als Lerner hast du Anspruch auf Lern-Unterstützung.
- Für dich ist wichtig, Lehrer / Lehrende als Lern-Partner zu gewinnen. Aber auch im systemischen eigen-Interesse muß Schulen daran gelegen sein, dem 'Lernen lernen' höchste Priorität einzuräumen, somit kompetentes Lernen zu vermitteln.
- Wenn schon Schul-Zeugnisse sein müssen, dann sollte darin zum Ausdruck kommen, wie gut (in diversen Segmenten) die Lern-Kompetenzen bereits entwickelt worden sind.
- Allerdings, Lehrende, welche sich vorrangig als Lehrplans-Vollstrecker begreifen, werden meine Argumente wohl zurückweisen.
- Lehrende hingegen, welche ihren Beruf so verstehen, Lern-Helfer der ihnen anvertrauten Kinder und Heranwachsenden zu sein, werden den Argumenten eher zustimmen. Solche Lehrende emanzipieren ihre Lerner mittels Leben-bedeutsamer Kompetenzen-Zuwächsen.
Kritik an destruktiven Konzepten.
* Lerner, deren Erziehende auf das Lernen wenig Aufmerksamkeit verwenden, oder die als sog. Hartz-IV-Empfänger mit reduzierten Finanzen zurecht kommen müssen, solche Lerner haben es in bestehenden Schul-Systemen erheblich schwerer, sich in die (anerkannten) oberen Leistung-Klassen empor zu arbeiten. Dieser Befund solle Lerner, die 'nach oben wollen' dennoch nicht verunsichern. Wenn sie es trotz der widrigen Bedingungen schaffen, haben sie (in aller Regel) eine besondere Persönlichkeit-Qualität und einen erheblichen Vorsprung an Lebens-Kompetenz gewonnen.
* Jemandem das Lernen-Dürfen vorenthalten, das geht nicht. Bisweilen werden Lerner daran gehindert, ihr Lernen selber in die Hand zu nehmen. Doch damit wird ihre Persönlichkeit-Entwicklung erheblich beeinträchtigt.
* Schlimm ist, wenn Kindern (die staatlich garantierten) Lern-Chancen verweigert werden, sei es aus weltanschaulichen Gründen, wegen der Zugehörigkeit zu einer anderen Ethnie, sei es wegen eines ungeklärten Status als Flüchtling, als Migrant.
* Bildung-Wege über sogenannte 'zweite Bildung-Gänge' werden (von vielen) noch immer als Behelfs-Wege angesehen, obgleich solches Denken nicht sachgemäß ist. Gerade weil diverse Schul-Systeme die 'Kopf-Arbeit' der Lerner überbewerten, wird ein Teil der Lerner dort falsch gefordert und gefördert. Schulen, welche 'Hände und Sinne' des Lerners nicht angemessen gleichwertig fördern, sind (nach meiner Bewertung) Schulen mit einem defizitären Bildung-Konzept.
2 Persönliches Verhalten
Sich anpassen, sich Zwängen beugen, oder bisweilen widerständig sein?
* Ein Rat, der sich bisweilen gut bewährt hat :: Führe und pflege ein Notate-File, wo du täglich deinen Zorn, deine Enttäuschung, dein Beschämt-Sein, deine Wut, deinen Ärger, deine Kritik an Schule abladen kannst.
Aber du wirst dort auch deine guten Erfahrungen mit Lehrern, mit-Lernern eintragen, wirst
deine Erfolge notieren (das ist ganz wichtig!), wirst deine Gestimmtheit vermerken.
Du wirst erleben, wenn du dein 'Schul-Erfahrungen-Heft' regelmäßig führst, werden dir im Laufe der Zeit manche Schwierigkeiten als lösbar erscheinen. Andere sind bei einem wieder-Lesen bereits behoben. Das baut dich auf.
* Aber diese Form des Aufarbeitens sollte nicht das tägliche 10-Minuten-Gespräch über Schule mit einem Erziehenden ersetzen. Jedoch, wenn du niemand hast, wenn du mit deinen Schule-Nöten alleine bleiben mußt, weil dir niemand die täglichen 10 Minuten schenken will, dann nimmst du dir Papier und Stift oder öffnest dein Notate-File auf dem Computer. Etwas nieder-schreiben (und damit Ärger von sich wegschaffen) kann einen Lerner-Tröster ersetzt.
Denke daran ...
* Dein Lernen braucht kein Müssen bedeuten, sondern sollte ein Dürfen sein.
Versuche aus einem 'Zwang' ein 'ich darf' werden zu lassen.
Du gehörst zu den privilegierten Kindern / Jugendlichen in einem Land der Nordwelt. Du bekommst das 'lernen-Dürfen' noch geschenkt.
Wärest du in einem ungenügend entwickelten Land geboren, wärest du mit großer Wahrscheinlichkeit arm, und darum wohl sehr begierig, zur Schule gehen zu dürfen.
* Ein 'ich muß' in das hilfreiche 'ich kann' umwandeln. Diese Art, einen Zustand anders zu benennen, ihn mit deiner Sprache zu transformieren, hilft dir, dein Denken anders auszurichten. Wer mit dem wider-willigen Gedanken 'ich muß jetzt Haus-Aufgabe machen' anfängt, redet sich etwas Unangenehmes ein. Dagegen 'ich kann jetzt gleich die Haus-Arbeiten erledigen, und ich kann in 100 Minuten damit fertig sein' zeigt dir schon das ersehnte Ende an.
3 Auch Erwachsene lernen (weiter)
Es könnte ja sein, daß ein Student aus Zufall, aus Fach-Interesse oder aus eigenen Nöten auf diese Seiten gekommen ist. Klar, dieser Ratgeber wurde nicht (als Lern-Helfer) für Studenten geschrieben; wohl aber auch als Fach-Text für Studenten eines Lehramts, einer Pädagogik-Fach-Richtung.
Die hier gesammelten Ratschläge bilden kein theoretisch-wissenschaftliches Konzept ab. Sie enthalten Hinweise für praktische Prozeß-Abläufe beim Lernen.
Sie gehen von einem einheitlichen Konzept des Lernens aus. Das besagt,
* daß hier kein fachlich spezialisiertes Lernen gemeint ist,
* daß Grund-legende Empfehlungen zum Lernen für Kinder, für Heranwachsende und für Erwachsene ähnliche Strukturen haben,
* daß intendiertes (gezieltes) Lernen und unbeabsichtigtes (inzidentelles) Lernen für alle Alter gleichermaßen bedeutsam sind,
* daß Lernen als eine Leben-erleichternde Kompetenz für alle gleichermaßen wichtig ist.
Auch Erwachsene lernen weiter. Diese Botschaft ist nun an Kinder, Jugendliche und Heranwachsende gerichtet. Lern-Kompetenz wird ein Leben lang benötigt. Wer in jungen Jahren sich schon zum kompetenten Lerner entwickelt, der hat manchen Vorteil beim späteren Lernen an Hochschulen, in Betrieben, in der Weiterbildung, an VHS und im alltäglichen Lernen ohnehin.
4 Sein eigener selbst-lern-Manager werden
Drei Schlagworte, mit denen dieser Lern-konzeptionelle Ansatz (in vereinfachender Kürze) ausgedrückt werden kann. 'Lernen' steht für 'sich eine selbst-organisierte, alle Lebens-Aspekte umgreifende, Leben-lange Kompetenz-Erweiterung erarbeiten'.
* Selbst-organisiertes Lernen wird ähnlich verstanden wie selbst-verantwortetes,
selbst-gesteuertes, autonomes, auto-didaktisches Lernen.
* Umgreifendes Lernen, bisweilen auch umfassendes / Grenzen-loses Lernen genannt, besagt, daß es im Prinzip keinen Sachverhalt, kein Wissen, keine Fertigkeiten gibt, welche nicht auch ein aktueller Lern-Anlaß sein könnten. Es wird allerdings nicht jeder Lerner jedes lernen können, weil manche Lern-Objekte eine besondere Disposition des Lerners voraussetzen.
* Leben-langes Lernen wird als ein nicht endendes Lebens-Konzept verstanden. Ein Mensch wird nie ausgelernt haben.
Der Begriff Management meint Organisation und Leitung eines großen Unternehmens. Es gibt im Sprache-Gebrauch diverse spezielle Anwendungen dieses Begriffs.
Mit selbst-Management wird ein Verhalten (und eine Kompetenz) bezeichnet, seine Persönlichkeit weitgehend unabhängig von anderen selbst zu entwickeln und zu steueren. Die Übernahme von Verantwortung, die Zuverlässigkeit, Stetigkeit, das selbst-Vertrauen sind einige wichtige Komponenten.
'Der Begriff Selbstmanagement bezeichnet die Kompetenz, die eigene persönliche und berufliche Entwicklung weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen zu gestalten. Dazu gehören Teilkompetenzen wie zum Beispiel selbständige Motivation, Zielsetzung, Planung, Organisation, Lernfähigkeit und Erfolgskontrolle durch Feedback.'
>>https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstmanagement
* Ein selbst-lern-Manager (ich bezeichne ihn mit SLM) managt (= organisiert und lenkt) alle mit Lernen in Verbindung stehenden Prozesse in eigener Zuständigkeit.
- Er präpariert und gestaltet seine 'Lernumgebung' (macht sie geeignet zum Lernen).
- Er präzisiert seine 'Lernziele' (legt fest, was er lernen wird, welchen Grad an Präzision des Gelernte er erreichen will, welche Lern-Aufgabe er für verzichtbar hält).
- Er hält geeignete 'Lernmethoden' bereit. ('Neue' Lern-Methoden kann man bei vielen Vorgängen beobachten; es ist sinnvoll, sich einige zu merken, und sie bei Bedarf selber anzuwenden.)
- Er lernt 'Zeit-Management' und plant die benötigte Lern-Zeit. Er hält sich an seine Planung. (In Erkenntnis früher gemachter Fehler bei der Zeit-Planung korrigiert er diese künftig.)
- Er verbessert seine 'Logistik'. (Ein beliebtes Spielchen, sich während der Lern-Zeit einfallen lassen, was man zu besorgen vergessen hat, und was jetzt umgehend erledigt werden muß. Das hat er abgestellt.) Was zum Lernen in der geplanten Zeit-Einheit nötig ist, das hat er voraus-blickend besorgt und bereit gestellt.
- Er hat sich ein 'Lernritual' geschaffen (einige ganz persönliche Verhalten sich angewöhnt, z.B. wie er die Hausaufgaben-Zeit beginnt), und er hält sich daran.
- Im Laufe der Zeit lernt er seine 'Mentalität' zu führen. (Er bekommt eine bessere 'Ordnung in seinen Kopf').
* Ein angehender SLM wird zwar unabhängiger von Schule, dennoch braucht er auch künftig noch kompetente Lern-Berater. Solche sind im idealen Falle seine Lehrer. Erfahrene Erziehende, reifere Freunde können es auch sein, aber oft sind es Menschen mit der beruflichen Kompetenz andere anzuleiten, fachlich zu unterrichten, auch Ausbilder und Bildung-Referenten wissen über Lern-Strategien meist bestens Bescheid.
* Der SLM soll im Verlauf seines SLM-Werdens lernen, auf des vielgestalte professionelle Wissen über das Lernen zuzugreifen.
Hier an gute Quellen zu kommen, ist nicht ganz einfach. Fachbücher lesen und das Geschriebene verstehen ist häufig mühsam. Ratgeber-Literatur bleibt (oft) spezifisch auf einzel-Aspekte eingeengt. Manchmal findest du in Internet-Foren auf deine spezielle Frage eine gute Antwort.
* Resümee :: Neugierig nach neuen Erkenntnissen suchen, prüfen, manches als geeignet erkennen, beim Anwenden kritisch bewerten, dann akzeptieren oder verwerfen!
Gesuchtes Wissen / neuere Erkenntnisse gefunden zu haben, ist schon ein gutes Indiz für einen (künftigen) SLM.
> Ein weiter-führender Hinweis für Studierende und für Lehrende
>>http://www.didaktik-labor.de/PDF-Seiten/AutoDidaktik/CaL-67.pdf
Du wirst dich fragen ... Warum sollte ich ein selbst-lern-Manager werden?
* Vorweg eine (provozierende) Typen-Unterscheidung.
- Ein folgsamer (und vielleicht erfolgreicher) Schüler vertraut einem Lehrer blind und folgt dessen Anweisungen. Das 'Folgen' (einem 'nachfolgen', der vorausgeht, der den Weg weist) ist in diesem Wortspiel die bestimmende Metapher.
- Ein (lern-kompetent werden-wollender) selbst-lern-Manager (SLM) wählt sein Ziel, legt Weg-Marken bis zum Ziel fest, kalkuliert Zeit-Bedarf und seinen Energie-Einsatz, er wählt (voraussichtlich passende) Methoden, denkt sich Strategien aus; er folgt in erster Linie eigenen Vorgaben und Entscheidungen. Das lern-kompetent werden-Wollen ist in diesem Satz die bestimmende Metapher.
* Lernen - den vorhandenen kognitiven Besitz erweitern. Der Lerner konstruiert sich, indem er auf vorhandene Wissens-Fundamente aufbaut und so in seinen kognitiven Fähigkeiten wächst. Das ist ein Wachstums-Prozeß. Wie eine Pflanze aus dem 'Fundament' ihres Wurzel-Systems heraus-wächst, so wächst der Lerner, indem er an seinem kognitiven Fundament auf- und weiter-baut.
* Bereits in der Schule stößt Lerner auf Widersprüchlichkeiten (zwischen einzelnen Fächern, zwischen Lehrenden, zwischen seinem kognitiven Fundament und schulischen Lehr-Meinungen). Manche Widersprüche beseitigt Schule. Aber es gibt welche, die sich nicht auflösen lassen. Wissen und menschliches Erkennen sind Zeit-bedingt, somit immer vorläufig. Lerner erwartet in der Schule definitive Antworten. Eine Reihe solcher Antworten kann Schule aber nicht geben.
- Da Lerner in der Schule nicht (wie erhofft) definitiv informiert wird, stellt sich dem wachen Lerner (nach einigen Jahren Schul-Erfahrung) die grundlegende Frage: Gibt es überhaupt ein Wissen, auf das ich mich völlig verlassen kann? Gibt es (außer vielleicht der Mathematik ...) noch Wissens-Bereiche, die schlüssige und letzt-gültige Erkenntnisse hervorgebracht haben.
* Mit solch kritischer Denkweise stößt der aufgeweckte Lerner an die Grenzen von Schule. Er beginnt sie als ein Institut zu begreifen, das die Jugend mit Wissen (von begrenzter Haltbarkeit) abspeist (abspeisen muß), welches (als Kompromiß zum nicht-Wissen) zur Beruhigung der nachwachsenden Generation beitragen solle.
- Auf Nachfragen bekommt er Antworten etwa wie 'So ist der Stand der modernen wissenschaftlichen Erkenntnis' .... oder 'Ein zentrales Prinzip unserer Wissenschaften ist, daß aus Hypothesen Theorien gebildet werden, die dann im Wettstreit zueinander stehen und sich bewähren müssen. Wird eine Theorie (von wem?) als gültig anerkannt, so wird (oder bleibt) sie die herrschende wissenschaftliche Meinung, bis sie beim nächsten Theorien-Streit wieder abgewählt wird und einer anderen, stärkeren Theorie Platz machen muß'.
- Das Frustration-Potential liegt darin begründet, daß ein fortgeschrittener Lerner (das kann er bereits in der Kindheit geworden sein) an widerstreitenden parallelen Theorien der modernen Wissens-Systeme zu zweifeln beginnt.
Wache junge Menschen brauchen Zeit, um die Vorläufigkeit menschlichen Erkennens zu begreifen, brauchen Zeit zu akzeptieren, daß Schule eine Gegenwart-gebundene gesellschaftliche Agentur ist.
* Selbstlern-Manager haben auch das Risiko, daß sie die Unzulänglichkeit des eigenen Wissens öfter und schärfer erkennen. Sie stoßen (häufiger als andere) darauf, und sie erleben schmerzhaft die Begrenztheit ihres Wissens. Sie erleben Frustration an ihrem Mangel-haften Wissen.
Anders, wer sich als unbekümmerter Lerner durch die Schule führen läßt, wer sich um die Meta-Dimension seines Wissens wenig oder gar nicht schert, der erfährt seltener solche Wissens-Mangel-Frustration.
* Ein weiteres Dilemma von Schule ist, daß in ihr bestimmte Wissens- und Erkenntnis-Bestände quasi eingefroren werden und (dennoch) als verbindlich gelehrt werden, gelernt werden müssen, abgeprüft werden. Viel zu selten ist in Unterrichten davon die Rede, daß das Gelehrte nur ein momentaner Stand ist, quasi eine Moment-Aufnahme von Wissen, welche in ein paar Jahren, Jahrzehnten überholt sein wird.
* Eine Strategie wäre, sich bereits in frühen Lebens-Jahren zum selbst-Manager seines Lernens zu entwickeln. Die Frage Wie kann ich ein selbst-lern-Manager werden? ist deshalb wichtig. Es bleibt durchaus realistisch einzuschätzen, daß es einen oder mehrere Lerner in einer Schul-Klasse gibt, die ihr Lernen selbst-bewußt, in größerer eigener Verantwortung übernehmen wollen.
Ich fasse zusammen ...
Schule sollte dein Lernen unterstützen.
(Ich wünsche dir, daß du bereite Lern-Unterstützer / Coachs als Lehrer hast.)
Aber lernen-Wollen nimmt dir keiner ab,
das wirst du in eigene Hände nehmen.
Deine 'Zauber-Formel' :: Ich kann das Lernen.
© Helmut M. Selzer (2005-09), 2016
Ende von Teil 7
Lernen lernen hat viele Seiten, die zu beachten sind ::
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/ Lernen lernen, Teil 1. Begreifen, was Lernen bedeutet.
/ Lernen lernen, Teil 2. Mich selbst steuern.
/ Lernen lernen, Teil 3. Mein Lern-Umfeld.
/ Lernen lernen, Teil 4.1 Mein Lernen organisieren.
/ Lernen lernen, Teil 4.2 Meine Einstellung zum Lernen.
/ Lernen lernen, Teil 6. Mein Lern-Werkzeug.
/ Lernen lernen, Teil 7. Lernen auf Befehl.
/ Lernen lernen, Teil 8. Lern-Aufgaben.
/ Lernen lernen, Teil 9. Literatur-Hinweise.
/ Lernen lernen, Teil 10. Grenz-Bereiche.
/ Lernen lernen, Teil 11. Resümee, Lern-Management.
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